Dao

Kapitel 9 – Zurück nach Shaolin

Abschnitt 1

»Es war schon Hochsommer, als wir mit den Reisevorbereitungen begannen. Wir hatten in den letzten Wochen und Monaten immer einen großen Teil des Tages damit verbracht, unsere inneren Kräfte besser kontrollieren zu können. Wang Lee hatte sich wesentlich verbessert, und er war nun etwa auf dem gleichen Stand wie ich. Mir gelang es trotz intensiver Bemühungen nicht, über das, was ich erreicht hatte, hinauszukommen. Diesen Stand beherrschte ich nun zwar ohne Schwierigkeiten, doch es gelang mir einfach noch nicht, die Energie, die in anderen Dingen steckt, zu nutzen. Wenn ich längere Zeit mit diesen Kräften geübt hatte, spürte ich, wie viel Kraft es mich kostete. Es zehrte enorm an meinen Energiereserven. Deshalb war es mir sehr recht, zurück zu Han Liang Tian zu kommen, da ich glaubte, ohne dessen Hilfe dieses Ziel nie zu erreichen.
So ganz leicht fiel es mir aber dennoch nicht, das Wudang-Kloster zu verlassen. Vor allen Dingen der Abt war mir sehr ans Herz gewachsen. Er hatte zwar in vielen Dingen eine andere Anschauung als Han Liang Tian, doch seine Lehren und Unterweisungen hatten mich um vieles weitergebracht.
Am Abend vor dem Aufbruch saßen wir noch lange zusammen und unweigerlich kam das Gespräch auf mich und meine Vergangenheit.
›Werden wir dich jemals wiedersehen, Gü Man?‹, fragte Tiang Li Yang.
›Ich kann es dir nicht sagen. Ich weiß nicht, wo mich mein Weg noch hinführt. Seit ich in Shaolin angekommen bin, ist nichts mehr so verlaufen, wie ich es mir vorgestellt habe. Mein Leben hat sich total verändert. Alles, was mir früher wichtig war und was ich für meinen weiteren Lebensweg geplant hatte, ist hinfällig. Doch wenn es mir irgendwie möglich ist, werde ich gerne noch einmal hierherkommen.‹ Nachdenklich schwieg ich einen Augenblick. ›Doch etwas fehlt mir hier, wie auch in Shaolin. Ich war es immer gewohnt, eine Aufgabe zu haben. Verantwortung zu tragen. Etwas zu schaffen und ein Ziel vor Augen zu haben. Aber jetzt weiß ich nicht so recht, warum ich noch lebe. Ich hoffe, dass ich bald eine Aufgabe bekomme, damit mein Leben wieder einen Sinn hat.‹
›Kannst du uns näheres über die Aufgabe erzählen, die du hattest?‹
Ich senkte die Augen und schüttelte den Kopf.
›Ich weiß, du bist wie Han Liang Tian der Meinung, dass es besser ist, wenn wir nicht allzu viel über deine Vergangenheit erfahren. Doch vielleicht kannst du es ganz allgemein schildern, ohne Geheimnisse preiszugeben‹, beeilte er sich hinzuzufügen.
Vielleicht hatte er recht. Ich konnte ja darüber reden, ohne auf bestimmte Dinge einzugehen. Es würde mir sicherlich guttun, mich einmal auszusprechen.
›Na ja, ich hatte eine Familie.‹ Ich zögerte einen Augenblick. ›Zwei Kinder. Einen Jungen und ein Mädchen.‹
Diese Erinnerungen machten mir zu schaffen und nur stockend fuhr ich fort:
›Ich habe den ganzen Tag gearbeitet und eigentlich keine Zeit mehr für meine Familie aufgebracht. Alles andere war mir zu diesem Zeitpunkt einfach wichtiger. Die Wertvorstellungen in der Gesellschaft, in der ich gelebt habe, bestanden einfach in wesentlich anderen Dingen als hier. Nur der wurde geachtet, der viel geschaffen hatte, der Erfolg hatte und viel gearbeitet hat. Und ich habe es geschafft, von vielen bewundert und beneidet zu werden. Ich hatte ein gutgehendes Geschäft mit vielen Untergebenen und war zu recht großem Wohlstand gekommen. Die Achtung der Außenstehenden hatte ich mir erworben, doch die Achtung in der Familie war gesunken.‹ Traurig schloss ich die Augen und nur mit Mühe konnte ich die Tränen unterdrücken.
›Nun, es kam wie es kommen musste. Irgendwann habe ich anderen zu sehr auf die Füße getreten, oder deren Neid zu sehr erweckt. Sie wollten mitverdienen an meinen Geschäften, doch ich wollte ihnen nichts geben.‹ Ich stockte wieder. ›Versteht das bitte nicht falsch. Wenn sie für eine geleistete Arbeit Lohn verlangt hätten, dann wäre das gar kein Problem gewesen. Ich hätte gerne gegeben und oft habe ich dann auch mehr gegeben als nötig war. Doch diese Menschen wollten mich erpressen und kassieren, ohne eine Leistung zu erbringen. Sie haben mich bedroht, doch ich habe es nicht ernst genommen.‹
Die beiden schwiegen bedrückt. Tiang Li Yang holte Luft und wollte mich anscheinend unterbrechen doch ich winkte ab.
›Lass nur. Irgendwann muss es mal raus. Ich habe seit diesen Ereignissen mit keinem Menschen darüber gesprochen. Vielleicht tut es mir auch gut, wenn ich es mir einmal von der Seele geredet habe.‹ Ich holte tief Luft und fuhr fort:
›Meine Frau hat mir zu dieser Zeit ins Gewissen geredet und mich gebeten nachzugeben, doch ich war stur.‹ Ich holte tief Luft. ›Hätte ich nur auf sie gehört! Sie hat es wahrscheinlich geahnt. Jedenfalls wollten diese Leute mir damals einen Denkzettel verpassen, um mich gefügig zu machen. Sie lauerten meiner Familie auf, als sie zu meinen Schwiegereltern reisen wollten. Eigentlich wollten sie meiner Frau nur einen gehörigen Schreck verpassen, um mich gefügig zu machen, und um ihre Macht zu demonstrieren. Doch es ist anders verlaufen, als sie wollten und alle haben den Tod dabei gefunden.‹ Nun konnte ich die Tränen doch nicht mehr unterdrücken. Ich schloss die Augen, senkte den Kopf und brauchte erst einmal einen Moment, bevor ich fortfahren konnte.
›Da ist eine Welt für mich zusammengebrochen. Ich habe plötzlich erkannt, was ich nun verloren hatte. Doch nichts konnte es ungeschehen machen. Der Halt in meinem Leben war weg und ich sah keinen Sinn mehr in meiner Existenz. Ich habe den Tod gesucht. Wollte alles beenden. Doch wieder ist es anders gekommen, als ich geplant hatte.‹ Ich schaute wieder hoch und von einem zum anderen. ›Ich kann nicht sagen, was und wie es geschehen ist, doch plötzlich war ich hier oder besser gesagt in Shaolin.‹ Ich strich mir mit der Hand über die Augen. ›Ich habe viel falsch gemacht und habe noch mehr wieder gut zu machen. Vielleicht reicht ein Leben dazu nicht aus und ich muss nun lange dafür büßen. Ich weiß es nicht und werde es vielleicht auch niemals erfahren. Doch eins habe ich in Shaolin und hier in Wudang gelernt. Es bringt mir nichts, wenn ich ständig darüber nachgrüble und in Selbstvorwürfen versinke. Ich muss nun das Beste daraus machen und irgendeinen Grund muss es ja haben, dass Han Liang Tian diesen Auftrag bekommen hat.‹
Alle schwiegen, keiner wagte die Stille zu durchbrechen und nachdem wir noch eine Weile zusammen gesessen hatten, gingen wir schweigend zur Ruhe.
Am nächsten Morgen standen wir mit dem Wenigen, das wir hatten zur Abreise bereit. Der Abt verabschiedete uns besonders herzlich.
›Ich habe die Zeit, die ihr hier verbracht habt, sehr genossen. Es ist schade, dass ihr wieder geht. Doch es ist euer Weg, den ihr beschreiten müsst. Ich wünsche euch alles Gute und ein langes, glückliches Leben.‹ Dabei sah er mir tief in die Augen. ›Ich weiß, Gü Man, du hast viel verloren, doch du wirst auch wieder viel erhalten. Das glaube ich ganz fest. Alles gleicht sich aus, denn nur im Gleichgewicht kann das Leben sich entwickeln.‹
Ja, das war sein Glaube und ich hoffte, dass es wirklich so werden würde. Er gab uns noch einen Brief für Han Liang Tian mit und wünschte uns eine gute Reise, dann brachen wir auf.
Am Fuß des Berges blieben wir noch einmal kurz stehen und schauten zurück, hinauf zum Kloster. Erhaben stand es da. Ruhig und zur Meditation einladend wirkte das ganze Gelände. Stets werde ich es so in Erinnerung behalten, dachte ich und wandte mich um.
Wir hatten uns mit dem Abt oft genug über diese Reise unterhalten und er hatte uns empfohlen, für den Rückweg eine kürzere und schnellere Verbindung zu wählen. Wir umgingen die wasserreiche und sumpfige Gegend am Fuße des Wudangshan-Gebirges in östlicher Richtung. Dann liefen wir in nordöstliche Richtung, östlich an Dengzhou vorbei und dann fast genau in Richtung Norden. Wir übernachteten oft im Freien und nur, wenn das Wetter nicht mitspielte, suchten wir uns eine Herberge, ein Kloster oder baten in einem Dorf um Quartier. Größere Ortschaften suchten wir zu meiden, da ich immer wieder Aufmerksamkeit erregte und sich die Menschen erkundigten, woher ich käme. Wir wollten nicht lügen und hatten keine Lust, den teilweise sehr aufdringlichen Erkundigungen ständig auszuweichen. Sehr oft wimmelten wir die Menschen mit der Bemerkung ab, dass ich ein Gast des Shaolin-Klosters sei und mich auf einer Pilgerreise befände. Da es eine meditative Reise sei, würde ich möglichst wenig sprechen und die meisten akzeptierten das auch. Damit verschafften wir uns Ruhe und Abstand.
Doch es war im Hochsommer auch kein Problem im Freien zu übernachten. Es gab viele Nächte, in denen es selbst nachts noch so warm war, dass man fast ohne Decke schlafen konnte. Da wir recht zügig vorankamen, hatten wir schon nach vier Wochen den an dieser Stelle noch recht kleinen Fluss Ying He erreicht. Es war nun nicht mehr weit bis zu dem Ort Dengfeng und von da bis zum Kloster war höchstens noch ein Fußmarsch von zwei und einer halben Stunde nötig. Doch die hereinbrechende Dunkelheit verhinderte, dass wir unser Ziel an diesem Tag noch erreichten. Da es angenehm warm war, suchten wir uns eine geschützte Stelle bei einem kleinen Wäldchen und richteten uns dort ein Lager.
Wang Lee hielt es zwar fast nicht mehr aus, doch es war Neumond und weiterzugehen war Unsinn, da man den Weg nicht mehr richtig sehen konnte. Wir hatten es uns gerade gemütlich gemacht, als wir leise Stimmen hörten. Die Stimmen kamen näher und schienen genau der Stelle zuzustreben, die wir als Lager gewählt hatten. Neugierig standen wir wieder auf und spähten in die Richtung, aus der die Ankömmlinge kommen mussten. Und dann standen sie plötzlich vor uns. Es waren zwei ältere Shaolin-Mönche, die bei unserem Anblick erschrocken zurückwichen. Doch Wang Lee hatte einen von ihnen erkannt und sprach ihn an. Erstaunt, aber erfreut kamen sie näher und begrüßten uns freundlich. Auch ich hatte die beiden schon im Kloster gesehen, doch da sie Betmönche waren, die viel Zeit mit Meditation verbrachten, hatte ich wenig Kontakt zu ihnen gehabt. Wang Lee kannte sie besser, da der eine früher die Kinder mit betreut hatte.
Sie waren nicht abgeneigt, die Nacht in unserer Gesellschaft zu verbringen. Also schlugen sie ihr Lager bei uns auf und bald saßen wir uns gegenüber und tauschten unsere Erlebnisse aus. Zuerst fragten sie uns über unseren langen Verbleib aus. Gebannt hörten sie uns zu und fragten uns viel über die Zustände und den Glauben in Wudang. Doch bald hielt es Wang Lee nicht mehr aus. Er wollte wissen, was es Neues in Shaolin gab. Ein kurzes Schweigen trat ein, dann begannen sie zögernd zu erzählen.
›Es ist nicht mehr so, wie es früher mal war‹, begann der ältere der beiden.
›Nein, Shaolin hat sich verändert und es ist kein Platz mehr für Mönche wie uns‹, fiel der andere ein.
Erstaunt versuchten wir den Ausdruck ihrer Gesichter zu erkennen, doch die stockfinstere Nacht gestattete das nicht.
›Wer will euch nicht mehr haben?‹, fragte Wang aufgeregt.
›Nein, nein! Das habt ihr falsch verstanden‹, beeilte sich der ältere zu sagen.
Wieder fiel der andere ihm ins Wort. ›Ja, es ist anders, komplizierter, doch das ändert nichts an der Tatsache, dass wir nicht mehr in dieses Kloster passen.‹ Er regte sich ganz schön auf und steigerte sich immer weiter hinein. Eine Bewegung des Älteren veranlasste ihn dann aber dazu, das Wort diesem zu überlassen.
›Vielleicht ist es besser, wenn er es euch erzählt. Ich rege mich doch bloß wieder auf.‹
Dieser begann nun, uns zu schildern, was sich seit unserer Abreise verändert hatte.
›Han Liang Tian wusste schon, warum es ihm nicht gefallen hat, dass im Kloster mehr Kampfmönche ausgebildet werden sollen. Alles hat sich dadurch verändert und der Abt hat Mühe, es unter Kontrolle zu halten. Es werden zurzeit um die eintausend Kampfmönche ausgebildet.‹
›Wie viel?‹ Wang Lee hatte sich diesen erstaunten Ausruf nicht verkneifen können.
›Es können auch ein paar mehr sein. So genau wissen wir das auch nicht. Außerdem möchte ich nicht behaupten, dass das alles Mönche sind. Es sind Soldaten dabei, die das Kloster im Auftrag des Kaisers ausbildet und auch andere Gestalten, die mit dem Mönchsleben nicht viel im Sinn haben.‹
›Wieso lässt Han Liang Tian das zu?‹, fiel Wang Lee wieder aufgeregt dazwischen.
›Was will er denn dagegen machen? Er hat gar keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Der Kaiser hat den Auftrag dazu gegeben, und Mao Lu Peng hat viel Macht dazu gewonnen. Es ist die Stunde des Provinzverwalters, seines Vaters, der wacht argwöhnisch darüber, dass der Auftrag des Kaisers ausgeführt wird. Und Mao Lu Peng hat endlich die Möglichkeit, das Leben zu führen, das er schon immer angestrebt hat. Er kostet seine Macht voll aus und der einzige, der ihm gewachsen ist, ist Han Liang Tian.‹
›Doch auch der kann nicht verhindern, dass sich das Leben im Kloster sehr verändert!‹ fuhr der andere wieder dazwischen.
Als der Ältere geräuschvoll ausatmete, sagte er:
›Entschuldige, dass ich dich wieder unterbrochen habe, aber es regt mich immer wieder auf. Ich bin in diesem Kloster aufgewachsen, habe mein ganzes Leben bis jetzt in diesen Mauern verbracht und mein Leben Buddha gewidmet. Nun finde ich keine Ruhe mehr an diesem Ort und muss auf meine alten Tage noch woanders hin.‹
›Warum müsst ihr weg?‹, fragte Wang Lee nun wieder aufgeregt.
›Wir müssen nicht!‹, ergriff der Ältere wieder das Wort. ›Aber, es gibt keine Ruhe mehr im Kloster. Wir haben immer einen großen Teil des Tages Buddha gewidmet und viel meditiert. Doch durch die vielen Menschen ist es nur noch schwer möglich, die nötige Konzentration aufzubringen. Wir fühlen uns nicht mehr wohl an diesem Ort. Der Sinn und Zweck des Klosters wurde entweiht und wir möchten unseren Lebensabend in Ruhe und Meditation verleben.‹
›Was sagt Han Liang Tian dazu? Hat er euch seinen Segen gegeben als ihr gegangen seid?‹ Bisher hatte ich schweigend zugehört, doch die Antwort auf diese Frage interessierte mich brennend.
Wie am Anfang, trat nun ein betretenes Schweigen ein. Erst nach einer ganzen Weile antwortete der Ältere beklommen:
›Er weiß nichts von unserer Abreise. Wir haben ihm nichts davon gesagt.‹ Dann fügte er schnell zu seiner Entschuldigung hinzu: ›Er hätte nur versucht uns umzustimmen, doch wir haben es uns reiflich überlegt und die Entscheidung schon oft hinausgeschoben.‹
›Ja, wir suchen uns ein anderes Kloster. Ein kleineres, wo wir in Ruhe beten und ein Leben für Buddha führen können.‹
Der Ältere übernahm wieder das Wort. ›Es hat nichts mit Han Liang Tian zu tun. Er ist der beste Abt, den sich das Kloster wünschen kann, doch gegen das jetzt ist er machtlos.‹
›Sind schon mehr gegangen? Oder wisst ihr, ob noch welche gehen wollen?‹ Ich stellte diese Frage, da ich daran dachte, wie Han Liang Tian sich wohl fühlen würde, wenn die das Kloster verließen, auf die er eigentlich baute. Er war zwar am Anfang auch ein Kampfmönch gewesen, doch mittlerweile hatte sich seine Einstellung geändert und er legte auch sehr viel Wert darauf, dass das Kloster Buddha gewidmet war und nicht als Kaserne missbraucht wurde. Dass er diesen Ereignissen jetzt machtlos gegenüberstand, war verständlich, doch wenn ihn die verließen, die dem Kloster eigentlich Leben einhauchten, dann hatte er erst recht verloren.
›Nein, wir sind nicht die ersten‹, antwortete der Ältere. ›Vor uns sind schon einige gegangen und es werden vielleicht auch noch andere gehen.‹
›Habt ihr euch mal überlegt, dass ihr Han Liang Tian eigentlich im Stich lasst? Er braucht euch doch, um dem Kloster seinen Sinn und Zweck zu geben!‹
›Ja, das haben wir!‹, fuhr der andere wieder einmal aufgeregt dazwischen. ›Versuche nicht, uns umzustimmen! Wir haben lange darüber nachgedacht und wenn wir einen Ausweg gefunden hätten, dann wären wir jetzt nicht hier. Es bleibt dabei, wir werden jetzt nicht mehr umkehren!‹
Der Ältere war nicht ganz so überzeugt wie sein Gefährte, doch dieser ließ keine andere Meinung gelten. Es hatte wirklich keinen Zweck, sie zu bearbeiten. Selbst wenn sie jetzt wieder umkehren würden, wäre es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis sie das nächste Mal aufbrechen würden.
Nach den letzten Worten herrschte eine unangenehme Stimmung und es wollte kein richtiges Gespräch mehr zustande kommen. Wir legten uns bald nieder, um zu schlafen, doch ich fand lange keine Ruhe. Was würde mich in Shaolin erwarten? Würde Mao Lu Peng wieder offen Front gegen mich machen? Hätte Han Liang Tian überhaupt Zeit, sich mit mir zu beschäftigen und mich weiter zu unterrichten? Schon wieder Fragen und die Angst, Antworten zu bekommen, die mir nicht gefallen würden. Erst weit nach Mitternacht kam ich endlich zur Ruhe, doch Wang Lee hatte zu dieser Zeit immer noch keinen Schlaf gefunden.
Am Morgen verabschiedeten wir uns von den beiden Mönchen. Ich wünschte ihnen eine gute Reise und dass sie ein Kloster fänden, in dem sie ihren Wünschen entsprechend leben konnten. Das war ehrlich gemeint, denn ich war in der Nacht zu dem Schluss gekommen, dass Han Liang Tian nicht anders denken würde. So wie ich den Abt in Erinnerung hatte, würde er keinen hindern, einen neuen Weg zu beschreiten. Ich sagte das auch den beiden und der Ältere bat mich, sie bei Han Liang Tian zu entschuldigen und ihn um Verständnis zu bitten. Ich versprach es ihm, und unsere Wege trennten sich wieder.
Schweigend machten wir uns auf, die letzte Strecke zum Kloster zurückzulegen. Keinem von uns war nach einem Gespräch zumute und so hingen wir beide unseren Gedanken nach. Ich kann nicht sagen, wie es Wang Lee ging, doch ich dachte zurück an Wudang und die besinnliche Ruhe dort. Wäre es nicht besser gewesen, wenn ich dort geblieben wäre? Warum strebte ich denn nach diesen Erkenntnissen? Was sollte mir dieses Wissen nutzen?
Während dieser Gedanken waren wir gut vorangekommen und hatten Dengfeng schon weit hinter uns gelassen. Wir überschritten einen Hügel und blickten hinab auf das Kloster. Aus dieser Richtung war ich noch nicht hierhergekommen und ich überlegte, ob es wirklich Shaolin sein konnte. Auch Wang Lee war stehen geblieben und stöhnte leise.

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