Dao

Kapitel 10 – Die Erkenntnis

Abschnitt 2

Um den weiteren Verlauf verständlicher zu machen, muss ich noch einfügen, dass diese ganze Prozession nicht ganz unbemerkt geblieben war. Einige der jungen, neuen Kampfmönche waren auf dem Weg zu einem Übungsplatz und sahen, wie die drei von mir weg zurück zum Kloster gingen.
›Was haben denn die da oben gemacht?‹, fragte der eine seine Freunde.
›Wer weiß schon, was diesen Betmönchen im Kopf rumspukt.‹
›Ja, vielleicht gibt’s da oben so einen Buddhaschrein, und die haben dort gebetet.‹
›Glaub ich nicht‹, warf der erste wieder ein. ›Obwohl …‹ Er strengte seine Augen an und legte die Hand schützend darüber, um besser sehen zu können. ›Es sieht fast so aus, als ob dort so ’ne Gestalt im Schnee sitzen würde.‹
›Dort hab ich aber noch nie was gesehen, außer einigen Bäu…‹
›He, ihr habt wohl keine Lust heute?‹, schnauzte sie einer der Meister an.
Sie hatten nicht bemerkt, dass dieser von hinten gekommen war und nun beeilten sie sich, schnell zum Übungsplatz zu kommen, denn dieser Meister war Mao Lu Peng sehr ähnlich geworden und konnte sehr ungerecht werden. Da sie nun aufgefallen waren, wurden sie an diesem Tag auch heftig herangenommen, weshalb das Ereignis vom Morgen auch schnell wieder vergessen war.
Als sie am nächsten Morgen wieder auf dem Weg zum Übungsplatz waren, erinnerten sie sich an den Vorfall und schauten möglichst unauffällig hoch zu den beiden Bäumen.
›Ich bin mir nicht sicher … doch, ich denke, da oben sitzt einer.‹
›Ich weiß nicht, das sieht genauso aus wie gestern. Wenn das ein Mensch wäre, dann müsste sich doch irgendwas verändert haben. Ich denke eher, dass das eine Buddhastatue ist.‹
Der erste schaute sich vorsichtig um, ob nicht wieder einer von den Meistern käme, und als er sich davon überzeugt hatte, dass die Luft rein war, legte er die Hand über die Augen und schaute angestrengt nach oben.
›Nein, das ist ein Mensch. Oder die müssten eine sehr menschenähnliche Statue geschaffen haben.‹
Schnell blickte er wieder in die Runde, um sich zu überzeugen, dass keiner sie beobachtete.
›Doch um ganz sicher zu gehen, müssten wir näher ran.‹
›Können wir ja machen‹, antwortete sein Freund wieder. ›Aber erst heute Abend, nach dem Training.‹
Er schaute kurz zur Seite und entdeckte den Meister wieder, der gerade hinter einem Gebäude hervorkam.
›Der alte Schinder kommt wieder! Los, schnell weiter, bevor er uns wieder auf dem Kieker hat.‹
Ohne sich umzublicken, liefen alle zugleich los. Aber beim Laufen besprachen sie ihr Vorhaben weiter.
›Gut, abgemacht‹, sagte der erste wieder. ›Heute nach dem Training gehen wir mal rauf und schauen nach. Aber ich bleibe dabei, es ist ein Mensch.‹
Er hatte hervorragende Augen und das wussten die anderen, doch in diesem Fall waren sie sich einig, dass das nicht möglich wäre.
›Glaub ich nicht! Wenn das ein Mensch wäre, müsste sich doch was verändert haben. Keiner kann einen Tag lang so sitzen bleiben! Irgendwie muss er doch mal Pinkeln gehen oder so. Doch das da oben hat sich nicht verändert. Ich hab’s mir gestern genau angeschaut, und das ist das gleiche Bild, da ist nicht das geringste anders.‹
›Mag schon sein. Dennoch ist das ein Mensch.‹
›Gut, pass auf, wenn ich recht habe, wirst du für mich übermorgen den neuen Latrinengraben ausheben und den alten zuschütten.‹
›Und wenn ich recht habe, wirst du es für mich machen, wenn ich wieder dran bin.‹
Ihre drei Freunde, die während der ganzen Zeit schweigend zugehört hatten, mussten diese Abmachung bestätigen und dann fieberten sie dem Ende des Trainings entgegen.

Wang Lee hatte auch keine Ruhe und ging mit Chen Shi Mal zur Mittagszeit hinauf, um nachzuschauen, ob noch alles in Ordnung sei. Als er sich davon überzeugt hatte, dass ich unverändert dasaß, beruhigte ihn das nicht wirklich. Doch er wagte es nicht, mich zu stören, und die beiden verließen mich nach einiger Zeit wieder.
Auf dem Weg nach unten versuchte Chen Shi Mal wieder, ihn ein wenig auszuhorchen, doch nur mit mäßigem Erfolg. Wang Lee erzählte ihm ein klein wenig von unserem Aufenthalt in Wudang, doch das reichte nicht, um dessen Neugier zu befriedigen. Hatte sich Chen Shi Mal in letzter Zeit schon sehr in unserer Nähe aufgehalten, so wich er nun fast gar nicht mehr von Wang Lees Seite. Diesem war das im Moment ganz recht, da es ihn von mir und meinem seltsamen Verhalten ablenkte. Aber beide waren sich darüber einig, dass sie am Abend noch einmal nach mir schauen wollten. Den Rest des Tages verbrachten sie mit Training und Wang Lee sehnte den Abend herbei.

Den jungen Kampfmönchen ging es ebenfalls nicht anders. Kaum waren sie unbeobachtet, strebten sie eilig den Hang hinauf. Schon von unten bemerkten sie, dass sich nichts verändert hatte und derjenige, der behauptet hatte, ich sei eine Statue, frohlockte schon innerlich. Doch als sie weiter raufkamen erkannten alle, dass da doch ein Mensch saß. Als sie sich ganz sicher waren, blieben sie stehen und überlegten, ob sie es wagen konnten, noch näher heranzugehen.
›Was meint ihr, gehen wir noch weiter?‹
›Ich weiß auch nicht, am Ende bekommen wir wieder Ärger.‹
›Aber der bewegt sich doch nicht. Am Ende ist er schon hin.‹ Er schaute sich kurz um. ›Und sehen tu ich auch niemanden. Kommt, wir gehen noch ein bisschen weiter. Was soll schon passieren, wir tun doch niemandem was.‹
Langsam und zögernd kamen sie näher. Ich konnte sie spüren, ihre aufgeregten Gedanken beschäftigten sich so sehr mit mir, dass ich sie verstehen konnte. Sie waren höchstens siebzehn, achtzehn Jahre alt, und ihr Wissensdurst war enorm. Aber aufgrund ihres Alters hatten sie sich auch noch nicht so gut unter Kontrolle. Ihre aufgeregten Gedanken stürmten auf mich ein und die Konzentration ließ nach. Am liebsten hätte ich sie davongejagt, doch ich hatte Angst, wenn ich in diesem Moment die Augen öffnen oder sie ansprechen würde, dann müsste ich noch mal von ganz vorn anfangen. Also konzentrierte ich mich darauf, diese Störung auszusperren und meine ganze Kraft wieder auf das eine Ziel zu konzentrieren.
›Der ist tot! Ich seh nicht mal, dass er atmet‹, sagte ihr Anführer.
›Ich weiß nicht, einen Toten hätten die doch niemals hier oben gelassen. Außerdem, schau dir mal die Hände und das Gesicht an. Die Haut sieht aus wie bei dir und mir. Bei einem Toten wäre das bestimmt nicht so‹, sagte ein anderer.
›Ich hatte recht, es ist ein Mensch, egal ob er tot ist oder lebt. Du weißt schon, dass du beim nächsten Mal für mich den Latrinengraben ausheben darfst.‹
›Ja, ja, das ist doch jetzt egal. Ich will jetzt wissen, was mit dem los ist.‹
Vorsichtig kam er immer näher. Er war nun nur noch eine Armlänge von mir entfernt.
›Puuh, das glaubt ihr nicht! Der strahlt eine Wärme aus, das gibt’s gar nicht.‹ Langsam rutschte er noch ein wenig näher.
›Schaut mal, um ihn rum ist aller Schnee geschmolzen. Und das Gesicht … der sieht nicht aus, als ob er von hier wäre.‹
›Wart mal!‹, sagte einer von denen, die bis jetzt geschwiegen hatten. ›Hat nicht mal der Meister, Chen Shi Mal, einen Fremden erwähnt, der hier im Kloster zu Gast ist?‹
›Du weißt doch, dass der zu den Betmönchen gegangen ist und wer weiß, was für Märchen die uns aufgetischt haben. Diese Betmönche sind doch sowieso …, irgendwie seltsam‹, sagte der Anführer abwertend.
›He, lass mal, der Chen Shi Mal war in Ordnung. Und der hat auch allen anderen was vorgemacht. Er war, oder ist besser als die. Warum er aber zu den Betmönchen gegangen ist, versteh ich auch nicht.‹
Von den Betmönchen schienen sie alle nicht gar so viel zu halten. Doch Chen Shi Mal hatte anscheinend die Achtung aller erworben.
Der Junge, der so weit herangekommen war, hatte gar nicht richtig zugehört bei ihrem Gespräch. Er starrte nur wie hypnotisiert auf mich und schob wie unter einem inneren Zwang langsam die Hand nach vorn.
›Ob ich ihn mal anfasse?‹, stieß er gedankenverloren zwischen den Zähnen hervor.
›Nein das wirst du nicht!‹, dachte ich und konzentrierte mich in einer Eingebung plötzlich stark darauf.
Der Junge schrie auf, sprang wie von einer Feder geschnellt hoch und rannte beinah seine vier Freunde um. Am ganzen Leib zitternd, stand er dann hinter ihnen.
›Was ist denn mit dir los? Bist du jetzt total durchgeknallt? He, krieg dich wieder ein, du Feigling.‹
›Der, der hat mich weggestoßen! Der will, dass wir gehen!‹
›Spinnst du? Der hat doch überhaupt nicht gezuckt. Du hast echt ’nen Schaden.‹
›Ich weiß auch, dass der sich nicht bewegt hat. Aber dennoch hat er mich weggeschubst und den Gedanken, dass wir gehen sollen, hab ich ganz deutlich gespürt.‹
›Quatsch!‹
›Kein Quatsch. Ich hab meine Hand ausgestreckt und wollte ihn berühren, doch es war, als ob da ein Widerstand wäre. Je weiter ich rangekommen bin, umso mehr Widerstand war da. Dann kam ich auf einmal gar nicht weiter und plötzlich war’s, als hätte ich einen Schubs gekriegt.‹
Alle sahen ihn ungläubig an. Keiner wollte ihm glauben und der Mutigste von ihnen wagte sich weiter heran, um mich zu berühren. Doch auch bei ihm war es nicht anders. Erst hatte er das Gefühl, an eine unsichtbare Wand zu drücken und dann wurde er zurückgedrängt. Nun wurde es ihnen doch unheimlich und sie wollten umdrehen und weglaufen, doch da kamen sie vom Regen in die Traufe.
Wang Lee und Chen Shi Mal waren den Hang hinaufgekommen, um nach mir zu sehen. Als sie die Gruppe der Jungen sahen, beschleunigten sie ihre Schritte und kamen genau in dem Moment an, als diese flüchten wollten. Die fünf rannten ihnen genau in die Arme. Total überrumpelt fielen drei von ihnen auf den Hintern und konnten sich auch nicht gleich wieder aufrappeln. Die beiden anderen standen wie versteinert vor Wang Lee und Chen Shi Mal und wussten für den Moment nicht, was sie tun sollten. Doch bevor sich auch nur einer von ihnen wieder in Bewegung setzen konnte, fuhr Wang Lee sie auch schon an:
›Was macht ihr hier? Habt ihr ihn gestört? Wer hat euch erlaubt, hierher zu kommen?‹
Die aggressive, feindselige Art von Wang Lees Worten, schüchterte die fünf noch mehr ein. Sie wussten nun gar nicht mehr, was sie tun sollten. Hinter ihnen war ich, und die unheimlichen letzten Minuten hatten ihnen richtig Angst gemacht. Vor ihnen standen Wang Lee und Chen Shi Mal, und deren Gesichter machten ihnen auch nicht gerade Mut.
Nun konnte man die unterschiedlichen Charaktere der fünf erkennen. Die beiden, die das Ganze angezettelt hatten und immer das große Wort führten, suchten nach einer Fluchtmöglichkeit. Sie wirkten, wie auf dem Sprung und ihre Augen hatten schon den bestmöglichen Fluchtweg erkundet. Die drei anderen waren nicht ganz so selbstbewusst und fingen an, Entschuldigungen vor sich hinzustottern. Doch alle fünf hatten das große Glück, dass Han Liang Tian sich auch entschlossen hatte, nach mir zu sehen.
›Lass es gut sein, Wang Lee! Sie sind jung und neugierig. Wenn ich das richtig sehe, wollten sie nur hier raufkommen und erkunden was los ist.‹
Alle schauten in Richtung der Stimme, die sie soeben vernommen hatten. Han Liang Tian war nur noch wenige Schritte von ihnen entfernt und sein freundliches, offenes Gesicht entschärfte die Situation.
›Aber, sie haben hier nichts zu suchen!‹
›Wang Lee, du warst doch auch mal jung und wenn ich mich nicht ganz irre, dann hättest du der Versuchung auch nicht widerstehen können. Auch du wärest hier raufgekommen und hättest nachgeschaut, was es mit ihm auf sich hat. Außerdem ist es keinem verboten worden, hierher zu kommen.‹
Er schnappte nach Luft und suchte nach Worten für eine Erwiderung, doch es wollte ihm nichts Passendes einfallen.
Der Abt war inzwischen ganz herangekommen und schaute die fünf freundlich an.
›Nun erzählt mal, was hat euch hier raufgeführt?‹
Alle fünf legten auf einmal los. Jeder wollte am lautesten sein und sagen, warum sie hier waren. Die gütige, aber auch ehrfurchteinflößende Art von Han Liang Tian hatte ihre Zungen schnell gelöst.
›Langsam, langsam, nicht alle auf einmal‹, fuhr Han Liang Tian dazwischen. Er schaute kurz in ihre Gesichter und zeigte dann mit dem Finger auf einen von ihnen. Mit sicherem Instinkt hatte er erkannt, dass es ihr Anführer war.
›Du, du bist doch der Truppführer hier. Du wirst mir jetzt alles schön ruhig, langsam und der Reihe nach erzählen.‹
Erstaunt darüber, dass der Abt sofort erkannt hatte, dass er ihr Wortführer war, begann er zögernd zu erzählen, wie sich alles zugetragen hatte:
›Wir haben schon gestern früh gesehen, dass hier etwas im Schnee liegt oder sitzt, konnten aber von unten nicht erkennen, was es ist. Als wir dann noch Mönche gesehen hatten, die sich hier aufhielten und dann wieder ins Kloster gingen, wurden wir neugierig. Wir waren uns nicht einig, was hier oben sei. Ich hab behauptet, es sei ein Mensch und er hat gesagt, es sei eine Buddhastatue.‹
Der andere junge, angehende Kampfmönch wollte etwas sagen, kam aber nicht dazu, denn sein Kamerad schnitt ihm sofort wieder das Wort ab.
›Ich hatte ja auch recht, doch das sahen wir erst, als wir weiter oben waren. Nun wollten wir aber auch noch sehen, was es mit ihm auf sich hat und sind immer näher herangegangen. Sun Hui hat dann versucht, ihn zu berühren.‹
Wang Lee entfuhr ein wütender Ausruf, doch Han Liang Tian machte eine beruhigende Handbewegung.
›Na ja, jedenfalls ist er dann plötzlich zurückgefahren und hat behauptet, dass er zurückgestoßen worden wäre und nicht weiter rankäme. Dann, dann hat ein anderer es versucht und mit ihm geschah das gleiche. Und da sind wir alle losgerannt, doch weit kamen wir nicht, denn wir sind gleich wieder mit den beiden zusammengestoßen.‹ Bei den letzten Worten hatte er auf Wang Lee und Chen Shi Mal gezeigt und er schien sichtlich froh darüber zu sein, dass er nicht diesen Rede und Antwort stehen musste.
Wang Lee öffnete den Mund, doch es kam kein Wort aus ihm heraus und es schien, als horche er auf eine für die anderen nicht wahrnehmbare Stimme. Auch Han Liang Tian und Chen Shi Mal verhielten sich so, und den Fünfen wurde es immer unwohler in ihrer Gesellschaft. Es dauerte aber nicht lang an, und mit einem kurzen Auflachen wendete sich der Abt wieder den Jugendlichen zu.
›Also, ich hab erfahren, ihr haltet nicht allzu viel von uns Betmönchen! Ihr denkt, wir sind ein bisschen dumm und können den Kampfmönchen nicht das Wasser reichen! Denkt ihr das wirklich oder wird es euch von anderen so vermittelt?‹
Woher wusste der das nur? Sie hatten sich doch immer bemüht, es keinen merken zu lassen. Sichtlich verlegen, begannen sie herumzustottern und nach Ausreden zu suchen.
›Lasst gut sein, ich weiß schon, dass Mao Lu Peng so denkt und es auch so weiter gibt. Doch lasst euch eins gesagt sein: Es gibt Betmönche, die es in jeder Beziehung mit zehn Kampfmönchen aufnehmen!‹
›Aber woher wollen …‹
›Woher ich das wissen will, möchtest du wissen? Ganz einfach, er hat es uns gerade erzählt.‹
Dabei deutete er zu mir hin und nun waren sie ganz fassungslos. Ungläubig sahen sie vom Abt zu mir und wieder zurück.
›Der hat doch gar nichts gesagt!‹, entfuhr es schließlich einem von ihnen.
›Braucht er auch nicht, denn er kann in Gedanken mit uns reden. Die Betmönche sind zwar ein wenig seltsam, wie ihr zu sagen pflegt, doch die können Dinge, die ihr als Soldaten-Mönche nicht lernen könnt.‹
Nun wussten sie gar nicht mehr, was sie sagen sollten. Die Kampfmönche waren immer das einzig Wahre für sie gewesen, und sie waren mächtig stolz darauf, auch einmal zu ihnen zu gehören. Nun kam da einer, der behauptete, dass die Betmönche in vielen Dingen besser wären als die Besten von ihnen. Das konnte und durfte einfach nicht sein. Aber wie sollten sie das, was er ihnen jetzt gesagt hatte, widerlegen?
›Sie können uns doch sonst was erzählen! Entweder haben Sie sich das ausgedacht oder waren hier irgendwo und haben uns belauscht. Gedanken lesen! So was gibt’s doch gar nicht!‹ Damit versuchte ihr Anführer die Worte des Abtes zu widerlegen.
›Meinst du? Na, dann wollen wir doch mal sehen. Er hat eure Geschichte nämlich soweit bestätigt. Unter anderem habt ihr euch nur einige Schritte weiter unten überlegt, ob ihr euch noch weiter heran wagen könnt. Dann habt ihr euch umgesehen und festgestellt, dass niemand in der Nähe ist. Einer von euch hat dann gesagt: ‚Aber der bewegt sich doch nicht. Am Ende ist er schon hin. Und sehen tu ich auch niemand weiter. Kommt, wir gehen noch ein bisschen weiter. Was soll schon passieren, wir tun doch niemandem was.‘‹ Han Liang Tian lachte kurz auf, als er ihre verblüfften Gesichter sah. ›Ah, ich sehe, dass ich seine Gedanken richtig wiedergegeben habe! Glaubt ihr nun, was ich euch sage?‹
›Das können Sie doch sonst woher wissen! Vielleicht hatten Sie sich hier irgendwo versteckt und haben uns belauscht. Auf alle Fälle ist so was doch gar nicht möglich!‹
Jetzt wurde es mir doch langsam zu bunt. Wenn die noch lange so weitermachten, wäre es endgültig vorbei mit meiner Konzentration. Ich gab mir alle Mühe, die jungen Kampfmönche zu erreichen.
›He, seid ihr nun langsam mal fertig? Wenn ihr noch lange hier rumdiskutiert, waren die letzten Tage umsonst! Lasst mir endlich meine Ruhe. Ich brauche noch ein, zwei Tage und dann könnt ihr ja auch mal mit mir darüber reden.‹
Nun klappte den Fünfen der Unterkiefer runter. Sie schauten sich verblüfft an, um zu sehen, ob auch die anderen das gehört oder auch nicht gehört hatten. Dann schauten sie zu mir und wieder zu Han Liang Tian und den beiden anderen.
›Nun, glaubt ihr jetzt, was ich euch gesagt habe?‹
Sie waren für den Moment sprachlos und nickten deshalb nur.
›Gut, dann wartet hier. Ich möchte nur noch mal kurz mit ihm Kontakt aufnehmen und dann werde ich mich noch mal mit euch beschäftigen.‹
Han Liang Tian kam noch die wenigen Schritte zu mir heran und fragte mich kurz in Gedanken:
›Ist alles in Ordnung? Brauchst du etwas?‹
›Nein, nur meine Ruhe!‹
›Gut, soll jemand hierbleiben und dafür sorgen, dass dich niemand stört?‹
›Nein, ich denke, wenn du noch mal mit den Fünfen redest, werden sie nicht noch mal hierherkommen und vielleicht auch dafür sorgen, dass es kein anderer von ihnen tut.‹
›Gut, wir werden nun wieder gehen.‹
Han Liang Tian stand auf, winkte den anderen und ging mit ihnen den Hang hinunter. Schweigend folgten sie ihm und die Fünf machten sich langsam Gedanken, was nun geschehen würde.
Würden sie nun doch Ärger bekommen? Würde der Abt mit ihrem Meister sprechen? Als ob er ihre Gedanken gehört hätte, sagte er plötzlich:
›Ich möchte, dass ihr mich erst einmal ins Kloster begleitet.‹
Erschrocken sahen sie sich an. Jetzt gab’s doch Ärger. Konnte der Abt ihre Gedanken lesen? Was würde er mit ihnen machen?
›Keine Angst, es wird euch nichts geschehen und wenn ihr nicht wollt, müsst ihr auch nicht mitkommen. Ich werde euch nicht zwingen, doch ich möchte euch gerne einiges erklären und zeigen. Es wird euch sicherlich helfen, die Betmönche besser zu verstehen.‹
Das beruhigte sie wieder und nachdem sie sich kurz mit Blicken verständigt hatten, stimmten sie zu.
›Schön, ihr werdet auch keine Schwierigkeiten mit anderen bekommen. Das verspreche ich euch, denn noch bin ich der Abt in diesem Kloster und auch wenn ihr es nicht wisst, eure Meister sowie ihr alle unterstehen mir. Mao Lu Peng hätte das zwar gerne anders, aber noch wird der Abt von den Mönchen gewählt und nicht vom Kaiser bestimmt.‹
Mao Lu Peng hatte ganze Arbeit geleistet, denn ihren Blicken zufolge, hatten sie das wirklich nicht gewusst. Sie betraten den alten Klosterbereich und schauten sich interessiert um. Anscheinend hatten sie diesen Teil des Klosters noch niemals betreten. Han Liang Tian ging mit ihnen in den großen Tempel und bat sie, dort Platz zu nehmen. Wang Lee schickte er los, damit dieser Lei Cheng und seine Freunde holte. Dann holte er aus einer Nische noch einige Kerzen und brannte sie an den wenigen, die vor der großen Buddhastatue standen, an.
Da es draußen nun schon langsam dunkel geworden war, hatte man im Inneren des Tempels nur noch wenig sehen können. Die zusätzlichen Kerzen verbreiteten ein gespenstisches Licht und die Buddhastatuen schienen zum Leben zu erwachen. Ehrfurchtsvoll schauten sich die Jungen um. Ganz wohl waren ihnen nicht an diesem Ort, doch sie hatten zugestimmt und wenn sie nicht als feige gelten wollten, mussten sie nun auch durchhalten.
Han Liang Tian setzte sich ihnen gegenüber hin und bat Chen Shi Mal, es ihm gleichzutun. Ausgiebig schaute er jeden von den Fünfen in die Augen.
›Ihr wart noch niemals in diesem Teil des Klosters, stimmt’s?‹
›Ja‹, kam es leise zurück.
›Dachte ich mir schon. Mao Lu Peng hat sicherlich sagen lassen, dass ihr nicht hierher zu kommen braucht und euch das auch nichts angeht.‹ Sie nickten zaghaft. Han Liang Tian konnte sich einen leisen Ton des Unmuts nicht ganz verkneifen.
›Hhhmpf, das ist aber nicht so! Das Kloster ist in erster Linie dazu da, um Buddha zu ehren, Relikte zu bewahren und als Mittler zwischen Buddha und dem Volk zu dienen. Das Shaolin-Boxen, das ihr erlernt, wurde von den Mönchen nur entwickelt, um den Körper zu stählen, um sich gegen Räuberbanden zu verteidigen und um die Meditation zu unterstützen. Viele der Mönche, die sich hier im alten Bereich des Klosters aufhalten, beherrschen die Kampfkunst, setzen sie aber nicht um des Kämpfens willen ein, sondern wenden diese Kunst nur im Notfall an. Chen Shi Mal kennt ihr ja, und ich habe vorhin von Gü Man erfahren, dass ihr eigentlich viel von ihm haltet, doch nicht verstehen könnt, warum er zu den Betmönchen gewechselt ist, die ihr so verachtet. Vielleicht sollte er euch einmal seine Gründe nennen und dann werde ich euch einiges von der Geschichte des Klosters erzählen.‹
Der Abt gab Chen Shi Mal ein Zeichen und dieser schaute die Jungen an. Widerwillig begann er dann zu erzählen:
›Tja, was soll ich da sagen? Ich bin der Meinung, dass der Sinn des Klosters durch die Art und Weise eurer Ausbildung verfälscht wird. Ihr werdet nichts weiter als Soldaten im Dienste des Klosters, oder besser gesagt im Dienste des Kaisers sein. Euch wird nur das Kämpfen gelehrt, wie es bei Soldaten so üblich ist. Keiner von euch bekommt Buddhas Lehren näher gebracht und das ist doch eigentlich der Zweck des Klosters. Jeder, der früher hier im Kloster das Shaolin-Boxen gelehrt bekam, war auch ein Mönch und wenn man Perfektion im Kampf erlernen will, dann muss auch der Geist frei sein. Denn nur, wenn Geist und Körper eine Einheit bilden, wird man diese Stufe erklimmen. Doch bei euch wird darauf nicht viel Wert gelegt. Ihr werdet bestimmt alle einmal gute Kämpfer, doch mit den wirklichen Meistern werdet ihr euch niemals messen können. Über diese Dinge habe ich mit Mao Lu Peng gestritten, doch er braucht nur eine willige Armee für den Kaiser.‹
Chen Shi Mal hatte sich nun richtig in Fahrt geredet und bereute es schon, dass er so viel preisgegeben hatte, doch der Abt setzte nun für ihn fort.
›Vielleicht könnt ihr das alles gar nicht so richtig verstehen, da ihr ja noch nie mit den richtigen Mönchen in Berührung gekommen seid. Vielleicht wäre es auch besser, wenn ihr über das, was euch Chen Shi Mal gerade erzählt hat, erst einmal schweigt.‹
Sie nickten zustimmend. Doch ihre Neugier war nun geweckt und sie folgten den weiteren Ausführungen des Abtes sehr aufmerksam.
›Über die Geschichte des Klosters gibt es sehr viel zu berichten. Doch ich möchte das kurz fassen und euch nur das Wichtigste mit auf den Weg geben.‹ Han Liang Tian sammelte kurz seine Gedanken und begann dann in kurzen Auszügen die Geschichte des Klosters zu erzählen.
›Vor vielen Generationen wurde das Kloster hier auf Befehl des damaligen Kaisers Hsiaowen erbaut. Es gibt auch Behauptungen, dass das Kloster von einem Mönch namens Ba Tuo gegründet wurde. Dieser kam aus einem fernen Land und wollte hier sein Wissen weitergeben. Wie dem auch sei, das Kloster sollte ein Ort sein, an dem das Wissen über Buddha bewahrt und weitergegeben wird. Am Anfang gab es nur einen Reliquienschrein und es wurden Schriften aus einer fremden Sprache übersetzt und in unserer niedergeschrieben. Einige Jahre später kam der Mönch Ta Mo ins Kloster und der körperliche Zustand der Mönche machte ihn betroffen. Er versammelte alle um sich und begann, ihnen die Kampfkunst zu vermitteln. Eigentlich sollten diese Übungen nur die Gesundheit der Mönche fördern, ihre Muskeln stärken, die inneren Organe und den Geist anregen, doch mit der Zeit lernten die Mönche, dass sie sich auf diese Art auch sehr gut gegen Räuberbanden wehren konnten. Ta Mo hat dann viele Jahre oberhalb von hier in einer Höhle gelebt und meditiert. Da er, wie Gü Man jetzt, still sitzend lange Zeit zum Meditieren vor der Höhle saß, könnt ihr heute noch seine Umrisse sehen, die die Sonne in den Fels gebrannt hat. Einige Generationen später haben dreizehn Mönche auf Bitten von Li Shimin, der dann auch zum Kaiser gekrönt wurde, die Truppen des Generals Wang Shigong in die Flucht geschlagen. Der neue Kaiser zeigte sich sehr großzügig. Einer der dreizehn, der Mönch Tang Zong wurde zum großen General ernannt und das Kloster erhielt zum ersten Mal die Erlaubnis, eine größere Truppe Kampfmönche zum Selbstschutz auszubilden. Weiterhin bekam das Kloster eine nicht unerhebliche Menge Land geschenkt und wurde befugt, Abgaben aus den umliegenden Dörfern zu erheben. Das Kloster stand daraufhin in hohem Ansehen und wurde auch des Öfteren gebeten, dem jeweiligen Kaiser in bestimmten Situationen zu dienen. Diese erfüllte das Kloster – oder besser gesagt die Kampfmönche – immer zur Zufriedenheit des Kaisers, doch nicht immer fiel der Dank so aus wie beim ersten Mal. Manchem Kaiser wurde der Einfluss und die Macht des Kloster zu groß und verschiedene Repressalien waren die Folge. Die nachfolgenden Äbte haben daraus gelernt und versuchten, ein gewisses Gleichgewicht zu halten, was zur Folge hatte, dass es dem Kloster jetzt lange Zeit gut ging. Dieses Gleichgewicht wird nun wieder gestört und ich habe Bedenken, das nichts Gutes daraus entsteht.‹
Han Liang Tian schaute in die aufmerksam auf ihn gerichteten Augen der Jungen.
›So, nun habt ihr einiges über das Kloster erfahren und ich hoffe, dass ihr nun auch uns hier im alten Klosterbereich besser verstehen könnt. Ihr solltet also immer bedenken, dass ein Mönch, der Buddha dient und die Kampfkunst beherrscht, doch etwas anderes ist als ein Soldat, der nur zum Kampf erzogen wird. Der Soldat ist nützlich für seinen Herrn, doch wenn dieser ihn nicht mehr braucht oder sich durch ihn bedroht fühlt, dann wird er fallengelassen oder gar vernichtet. Bei einem Mönch ist das nicht so einfach, der dient in erster Linie Buddha und es lässt sich nicht so einfach rechtfertigen, wenn etwas gegen ihn unternommen wird. Behaltet das im Gedächtnis, und nun möchte ich euch ein paar anderen vorstellen.‹
Er stand auf und deutete auf Lei Cheng und dessen Freunde, die mit Wang Lee soeben den Tempel betreten hatten.
›Das hier sind Jungs, die schon vor Jahren im Kloster aufgenommen wurden. Sie werden in Buddhas Lehren unterrichtet, aber auch im Boxen. Obwohl sie noch um einiges jünger sind als ihr, dürften sie euch dennoch in allem überlegen sein. Vor allem auch im Kampf. Lei Cheng hier‹, nun legte er seine Hand auf dessen Schulter, ›ist mittlerweile einer der Besten. Das war nicht immer so, doch eines Tages hat er Gü Man kennen gelernt und viel von ihm gelernt. Ich denke, ihr könntet nun ebenso viel von ihm und seinen Freunden lernen.‹
Der Abt drehte sich wieder zu den Fünfen um. ›Wenn ihr möchtet, könnte ich es so einrichten, dass ihr mal eine Weile hier im Kloster verbringt und unser Leben kennenlernt. Ihr würdet dann mit den Jungs hier zusammen sein und ihren Tagesablauf kennenlernen.‹
›Aber das wird den Meistern nicht gefallen‹, entfuhr es einem von ihnen.
›Lass das mal meine Sorge sein. Ich würde das schon regeln, sodass ihr keinen Ärger bekommt. Nun wie wär’s?‹
Fragend sahen sich die Fünf an und konnten sich doch nicht so recht entscheiden.
›Ihr müsst das auch nicht gleich entscheiden. Überlegt es euch in Ruhe. Morgen früh werde ich zu euren Meistern gehen und um einige von euch bitten, die uns bei verschiedenen Arbeiten im Kloster helfen sollen. Das wird ein Vorwand zu eurem Schutz sein und wenn ihr es wagen wollt, dann haltet euch abseits von den anderen in einer Gruppe zusammen. Alles Weitere regle ich dann schon.‹
Diesem Vorschlag stimmten sie zu, und Han Liang Tian bat sie nun nur noch um eins:
›Eine Bitte habe ich aber noch. Egal wie ihr euch entscheidet, bitte stört Gü Man nicht mehr bei seiner Meditation. Er versucht, wie Ta Mo damals, durch Meditation Erkenntnisse zu gewinnen und jede Störung reißt ihn dann ein wenig aus dem Gleichgewicht. Also geht bitte nicht mehr dorthin, solange er dort oben ist und haltet auch alle anderen davon ab.‹
›Wir wären ohnehin nicht mehr dorthin gegangen‹, sagte nun ihr Anführer. Und der, mit dem er gewettet hatte, fügte hinzu:
›Nein, der ist uns irgendwie unheimlich. Irgendwas umgibt ihn und hat mich gehindert, näher heranzukommen. Uuuhha, nein da kriegt mich sowieso keiner mehr hin.‹
Da konnte Lei Cheng nicht mehr an sich halten.
›Ihr habt doch keine Ahnung! Er ist ein ganz freundlicher und hilfsbereiter Mann, der keinem was zuleide tut. Wenn er euch unheimlich war, dann werdet ihr selbst schuld gewesen sein und wer ihn beleidigt, bekommt’s mit mir zu tun!‹
›Und mit uns!‹, fielen seine Freunde ein. Unter diesen war auch Tong De, der seit dem Vorfall am Fluss kaum noch von Lei Chengs Seite wich.
›Aber er ist wirklich unheimlich! Wie kann denn jemand bei so großer Kälte ohne Schutz dort sitzen und nicht erfrieren. Und dann das mit dem Wegschubsen! Das war gruselig‹, beharrte einer der Fünf trotzig.
›Beruhigt euch‹, unterbrach sie Han Liang Tian beschwichtigend. Und erklärend wandte er sich ihnen zu: ›Er hat einen Schutz, doch der kommt von innen und ihr könnt ihn nicht sehen. Er wollte sich mit dieser Barriere nur gegen euch verteidigen und verhindern, dass ihr seine Meditation weiter stört. Das hätte er auch auf andere Art tun können. Glaubt mir, ihr seid da noch gut weggekommen. Aber egal, eins solltet ihr auch noch bedenken: Ihr könnt solche Fähigkeiten auch entwickeln, aber auf keinen Fall als Soldaten. So und nun solltet ihr vielleicht wieder zurückgehen, damit eure Abwesenheit nicht weiter auffällt. Chen Shi Mal wird euch begleiten und aufpassen, dass ihr keinen Ärger bekommt.‹
Chen Shi Mal nickte und forderte sie auf, ihm zu folgen. Nur Wang Lee und die Jungs blieben zurück im großen Tempel.
›Setzt euch!‹, forderte der Abt sie auf. ›Ich weiß, dass ihr nicht ganz verstehen könnt, warum ich das jetzt getan habe, doch da ich euch dabei brauche, will ich es jetzt erklären.‹
Er strich sich wieder einmal mit der Hand über den Schädel.
›Mao Lu Peng hat unser Kloster entzweit. Er hat den Bereich der Kampfmönche unter seinen Einfluss gebracht und tut alles, um noch mehr Macht zu bekommen. Ich habe auf eine Art verhindern können, dass das Klosterleben hier im alten Bereich gar so sehr gestört wird, doch der Preis dafür ist hoch. Durch den neuen Bereich außerhalb des Klosters ist es Mao Lu Peng gelungen, mich von seinem Einflussbereich wegzudrängen. Ich habe so gut wie keine Möglichkeit, den Neuen auch nur das Geringste mit auf den Weg zu geben. Mao Lu Peng gelingt es dadurch hervorragend, ihnen das normale Mönchsleben und unsere Lehren zu verweigern. Es werden nur willige Soldaten herangezogen, die sich dann mit dem Namen Shaolin schmücken. Lange habe ich nach einem Weg gesucht, das aufzubrechen und durch Zufall heute eine Möglichkeit gefunden. Ich denke, dass diese jungen Männer nicht unempfänglich für unsere Lehren sind, doch sie werden von ihnen ferngehalten. Gelingt es uns, diesen Fünfen etwas mitzugeben von unserem Denken, können wir vielleicht wieder ein wenig mehr Einfluss auf den Bereich außerhalb der Klostermauern nehmen. Es sind auch einige von uns gegangen. In andere Kloster oder eben zu den Soldaten. Mit ein wenig Glück können wir nun wieder einige zu uns heranziehen.‹
Han Liang Tian sah in die Augen der anderen und suchte in ihnen Zustimmung zu seinem Plan.
›Ich weiß, es ist nicht die schönste Art und Weise, um das zu erreichen, doch ich sehe keine andere Möglichkeit, ohne einen großen Konflikt heraufzubeschwören.‹
Wang Lee gab ein zustimmendes Brummen von sich, doch die Jungen schwiegen.
›Und was denkt ihr?‹, richtete Han Liang Tian nun das Wort direkt an sie.
Lei Cheng sah ihn erstaunt an. ›Wir sind doch nur Kinder! Wie könnten wir die Weisheit deiner Worte infrage stellen?‹
›Ihr seid nicht nur Kinder Lei Cheng! Ihr seid die Zukunft des Klosters. Eines Tages, wenn wir nicht mehr unter euch weilen, wird einer von euch ähnliche Probleme zu meistern haben und vielleicht mit Entscheidungen zu kämpfen haben, die wir gefällt haben. Es ist nur recht und billig, wenn ich euch nun nach eurer Meinung frage.‹
Die Worte des Abtes machten die Jungen stolz und Lei Cheng als ihr Wortführer sagte:
›Ich finde es sehr wichtig, dass die beiden Bereiche wieder zusammenwachsen. Nicht nur das Klosterleben, so wie wir es kennen, leidet darunter, auch der gute Ruf des Klosters wird früher oder später Schaden nehmen. Denke ich‹, fügte er verlegen hinzu.
Anerkennend nickte Han Liang Tian. ›Du sprichst meine Gedanken aus Lei Cheng. Ich sehe, du hast dich auch schon mit diesem Problem beschäftigt und ich freue mich, dass wir einer Meinung sind.‹
Han Liang Tian erhob sich wieder und sagte: ›Ich danke euch für eure Hilfe und ich denke, mit Buddhas Unterstützung werden wir den richtigen Weg finden. So, nun werde ich euch verlassen, ich möchte noch beten, um Buddhas Hilfe für unser Vorhaben zu erflehen.‹
Er verbrachte die halbe Nacht mit Meditation vor seinem Schrein. Auch die anderen gingen in ihre Quartiere.
Wang Lee fand keine Ruhe, und um Hu Kang nicht weiter zu stören, ging er in den kleinen Tempel, den ich mit Han Liang Tian immer genutzt hatte. Dort versenkte er sich wie der Abt nun in Meditation und brachte Ordnung in seinen aufgewühlten Geist.

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