Lesebank 🙂

Bis zum Obergermanischen-Raetischen Limes

Und es gibt sie, die Fügungen! Man muss nur offen dafür sein und sie annehmen. Es sind oft die Begegnungen, Gespräche und helfenden Hände, die Licht bringen.
Auf dieser Reise können wir das oft feststellen und die Tage bei unseren Familienangehörigen gehören dazu.
Unser Sohn ist von einer hartnäckigen Bronchitis geplagt, weswegen wir auch gezögert haben, dort Station zu machen. Das Angebot kommt jedoch so spontan und von Herzen, dass wir es sogar wagen nach einem Ruhetag zu fragen.

Der Pausentag tut Sabine sehr gut. Bis auf einen gemächlichen Gang in die Stadt, wo wir uns wieder mit Haferriegeln eindecken, ist er der Erholung gewidmet. Am nächsten Tag wollen wir dann unsere Tour fortsetzen und in der Pilgerherberge von Schwabach übernachten. Die Etappe von Kalchreuth bis in die Nürnberger Innenstadt werden wir auslassen, um unserer Schwiegertochter eine weitere Fahrt zu ersparen. Sie bietet es uns dennoch an, aber wie das so ist, man will ja nicht über Gebühr zur Last fallen.
Trotzdem machen wir es auf andere Art, weil wir ein weiteres Angebot nicht ablehnen. Am nächsten Morgen werden wir von ihr am Jakobsweg abgesetzt. Der Haltepunkt liegt fast auf der Fahrstrecke zu ihrer Arbeitsstelle. Nur mit leichtem Gepäck, das ich trage, starten wir in Richtung Schwabach, denn wir werden am Abend dort wieder von ihr abgeholt.
Ich habe diese Etappe als wenig anstrengend in Erinnerung, weil es kaum Steigungen gibt. Leichter Nieselregen ist ein bisschen unangenehm, aber nicht so schlimm, dass wir ein Regencape brauchen. Lange Zeit geht es fast bretteben am Ludwig-Donau-Main-Kanal entlang. Ein beeindruckendes Bauwerk, das auf einem Teilstück von zwei Pilgerwegen begleitet wird. Dem „Jakobsweg Nürnberg-Altmühltal“ und unserem Weg „Nürnberg-Bodensee“. Irgendwie verpassen wir die Stelle, an der unser Weg vom Kanal abzweigt und laufen auf dem anderen weiter.

Am Baum sind die beiden Jakobswegweiser zu sehen:

Kanalweg

100 von diesen Schleusen gibt es im Verlauf des Kanals um die Höhenunterschiede zu überwinden:

Schleuse

Zurückgehen, oder eine Alternative suchen?
Ich suche auf dem Handy und finde einen verbindenden Wanderweg von Großschwarzenlohe nach Neuses, wo wir wieder auf unsere Streckenführung kommen. Also nicht wieder zurück unter der A6 durch, was schon ein größerer Rückweg gewesen wäre.
Ich kann mich nicht erinnern, dass es 2017 schon diese Wegmarkierungen des anderen Pilgerweges gegeben hat. Aber egal, es ist kein gravierender Umweg, den wir jetzt laufen werden. Den Waldweg an der Schwarzach entlang finde ich sogar schöner als die Strecke, die ich vor acht Jahren gelaufen bin. Aber Erinnerungen können auch täuschen, wie ich schon öfter feststellen musste.

Neuses

Sabine hat der Ruhetag sehr gut getan. Sie ist heute mehr als flott unterwegs, was vielleicht auch daran liegt, dass sie keinen Rucksack trägt. Das ist etwas, was ich schon bei anderen Wanderungen beobachten konnte. Hat sie Gepäck auf dem Rücken, muss ich mich einbremsen, ist sie ohne, hab ich Mühe ihr Tempo zu halten.
Etwas anderes stelle ich auch noch fest. Pausentage sind für mich, im Gegensatz zu meiner Frau, nicht förderlich. Ich komme durch sie irgendwie aus dem Tritt. Es hat den Anschein, als würde die Unterbrechung des täglichen „Mandras“, mich aus dem Takt bringen. Ohne den Ruhetag war es ein gleichbleibendes Ritual. Ein Rhythmus, den Körper und Geist ohne größere Probleme gegangen sind. Jetzt habe ich Mühe in den Pilgermodus einzutauchen.
Ich hoffe, es wird morgen wieder besser.
Schon am zeitigen Nachmittag erreichen wir Schwabach. Was ein Ruhetag und leichtes, beziehungsweise kein Gepäck doch ausmachen.
Es bleibt Zeit, die schöne Altstadt von Schwabach zu erkunden, wobei wir uns auch Kaffee und Kuchen gönnen. Außerdem gelingt es uns, die nächsten drei Quartiere zu organisieren.
Am späten Nachmittag werden wir dann abgeholt und übernachten noch einmal bei Schwiegertochter und Sohn.

Schwabach

Tag 14 unserer Reise beginnt in Schwabach, nachdem uns unserer Schwiegertochter dorthin gebracht hat. Alles was wir auf unserer bisherigen Reise schon einmal getragen haben, ist frisch gewaschen in unseren Rucksäcken verstaut. Ein gutes Gefühl, mal nicht nach Schweiß zu riechen.
Danke für die Hilfe und Zeit!
Es sind nur 2°C am Morgen. Also bleibt die Jacke an!
Kaum sind wir aus der Stadt heraus, begegnen wir einer jungen Frau, die mit ihrem Kind per Fahrrad unterwegs ist. Wir werden von ihr aufs Pilgern angesprochen und Sabine berichtet, wo wir gestartet sind und dass wir nun schon zwei Wochen laufen. Erstaunt fragt ihr etwa vierjähriger Sohn, ob wir da auch nachts gelaufen sind.
Es entlockt der Mutter und uns ein Schmunzeln und wir klären ihn auf.
Es gibt überhaupt viele, die uns wegen unserer Rucksäcke ansprechen. Meist ziehen sie gleich die richtigen Schlüsse, weil sie vom Jakobsweg wissen. Das Interesse an so einer Reise ist groß, wenn sich auch die wenigsten vorstellen können, über mehrere Wochen mit solch einem Gepäck auf dem Rücken unterwegs zu sein.

Ein weiteres Mal müssen wir die A6 queren und, oh Schreck, der Weg ist gesperrt. Da keine Bewegung auf der Baustelle zu verzeichnen ist, gehen wir an der Absperrung vorbei und erkennen, die Brücke über die Autobahn wird erneuert.
Es sieht nicht so aus, als ob sie schon begehbar ist. Wie kommen wir jetzt rüber?

Wegsperrung

Noch ein paar Meter und eine kleine Leiter wird sichtbar, auf der man hoch zum Brückenrohbau steigen kann. Immer noch keine Arbeiter zu sehen, also auf zum Hindernisparcours, vielleicht hat ja jemand an Wanderer wie uns gedacht und die Leiter deshalb angelegt. Mal sehen wie wir auf der anderen Seite wieder runter kommen.
Das Hochsteigen und danach mit Rucksack aufrichten ist schon eine kleine Herausforderung, vor allem für Sabine. Sie meistert es jedoch mit Bravour! Und Glück gehabt, auf der anderen Seite ist schon angeböscht.

Hindernis

Weiter geht es über schöne Feld- und Waldwege zu einem Highlight der Etappe: Die Jakobskapelle von Heidenberg, außerhalb des Ortes im Wald.
Es ist ein Ort der Einkehr und Stille. Lichtdurchflutet und im Giebelbereich die Lücken zwischen den starken Eichenpfosten mit buntem Glas durchsetzt. Bei Sonnenschein zaubert es buntes Licht in die Kapelle. Wir legen eine Rast ein, in der wir auch die Sprüche und Gebete an den Seiten verinnerlichen.

Kapelle

In Abenberg wollen wir uns dann in der Kirche einen Stempel holen und platzen fast in eine Trauerfeier. Schnell gehen wir deshalb weiter und treffen kurz nach der Kirche auf die Trauergesellschaft, die uns entgegen kommt.

Abenberg

Sabine ist auch mit Rucksack zügig unterwegs. Die letzten 2 Tage haben ihr gut getan. Ich komme erst auf circa halber Strecke wieder in meinen Pilgermodus. Vermutlich ist es doch so, dass Unterbrechungen des „Mandras“ mich da herausreißen. Allerdings erkennen wir auch deutlich, dass bei etwa 20km Sabines Kraft nachlässt. Sie braucht dann öfter eine Pause, in der sie das Gewicht auf dem Rücken loswerden muss.

Wernfels mit der schönsten Jugendherberge Deutschlands. Eine weitere prägende Erinnerung an meine Tour 2017. Genau deshalb wollte ich auch gerne wieder dort übernachten, um sie mit Sabine aufzufrischen.
Im ersten Moment bin ich dann ein wenig enttäuscht, weil wir in einem Gebäude außerhalb der Burg untergebracht sind. Vor 8 Jahren hatte ich ein kleines Einbettzimmer in der Burganlage. Erreichbar durch eine Wendeltreppe und so richtig urig. Gemeinschaftsdusche und WC dann im Untergeschoss, diesmal ist es fast wie in einem Hotel, der Sanitärbereich gehört zum Zimmer. Hat ja auch seine Vorteile und das Burgambiente können wir später trotzdem genießen.

Wernfels

Nicht nur bei einer Besichtigung, auch als wir das reichhaltige Abendessen einnehmen. In einem kleineren halb offenem Raum ist für uns und drei Familien gerichtet, dass Getöse der großen Kindergruppen im Hauptsaal dringt nur gedämpft bis zu uns.

Tag 15:
Erholt vom Schlaf und gestärkt nach einem guten Frühstück geht es dann am nächsten Tag nach Gunzenhausen, wo wir in der Partnerherberge von Wernfels übernachten werden.

Es ist wie im Leben, jeder Tag hat seine Herausforderungen. Mal mehr, mal weniger fordernd. Am Vortag war es der Hindernisparcours, heute sind es steile Ab- und Aufstiege.

Hohlweg

Erkenntnis des Tages: Wenn es den Berg runter geht, muss man irgendwann auch wieder einen hochkraxeln.
Der kalte Wind begleitet uns immer noch und hält uns davon ab, unsere Jacken abzulegen. Aus dem gleichen Grund gehen wir auch an einer schönen Sitzgelegenheit vorbei, obwohl wir uns nach einer Pause sehnen.
Erst in Kalbensteinberg legen wir auf einer Bank vor der Kirche eine Pause ein. Vom Gebäude vor dem Wind geschützt sitzen wir in der Sonne mit Blick auf eine schöne Blumenwiese.

Blumenwiese

Aus der Kirche hören wir die helle, klare Stimme einer Sängerin, die für eine Hochzeit probt.
Der Titel, den sie singt, weckt Erinnerungen an meinen besten Freund, der schon vor Jahren einer Krebserkrankung erlegen ist. Bei seiner Trauerfeier wurde auch der Song „Das Beste“ von Silbermond gespielt. Hier soll das Lied allerdings zu einem glücklichen Anlass vorgetragen werden, wie wir der Schmückung des Portals entnehmen. Sabine ist wieder einmal nah am Wasser. Sie nehmen solche Situationen auf unserer Reise mehr mit als im Alltag.
Hineinzugehen erscheint uns als nicht angebracht, auch als die Pastorin, die uns anscheinend gesehen hat, das anbietet. Sie meinte, es wäre noch genügend Zeit vor der Trauung, um unseren Pilgerpass einen weiteren Stempel hinzuzufügen. Wir haben jedoch am Vortag zwei geholt und wollen die Proben nicht stören.
Kurz darauf kommen auch noch die Mitglieder eines sehr großen Posaunenchores, was wir zum Anlass nehmen, unseren Weg fortzusetzen.
Auch diese Begebenheit erinnert mich ans Leben. Am Vortag wären wir fast in eine Trauerfeier geplatzt, heute beinahe in eine Hochzeit. Der Song den wir gehört haben, vor Jahren zu einem traurigen Anlass gespielt, heute zu einem freudigen. Liebe und Glück, Tod und Trauer, alles ein Teil des Lebens.

Kurz vor Gunzenhausen erweist sich die veränderte Wegführung als sehr sinnig. 2017 haben die GPS-Tracks noch an einer viel befahrenen Straße durch ein Gewerbegebiet geführt. Auf der neueren Trasse schlägt man einen Haken, um dann von Osten her in die Stadt zu kommen. Das ist zwar ein kleiner Umweg, entschädigt aber mit landschaftlich schönen Wegen und Sehenswürdigkeiten.
Besonders hervorheben kann man da die Spuren des Obergermanisch-Raetischen Limes, an dessen nördlichstem Punkt der Jakobsweg entlanggeführt wird. Zu sehen sind dort alte Grundmauern, nachgestellte Teile der Palisaden und Wachtürme, sowie erklärende Infotafeln. Auch im weiteren Wegverlauf – nach Gunzenhausen – wird man auf Spuren der römischen Siedlungs-/Besatzungsgeschichte hingewiesen.

Limes

Nur kurz ist dann das Stückchen Vorstadt, das wir durchwandern müssen, um ins Zentrum zu gelangen. Um so vieles schöner, als auf einer ewig langen schnurgeraden Einfallstraße anzukommen.

Wir erreichen die Jugendherberge und es wird wieder einmal „lustig“.
Nach Auskunft der Rezeption in Wernfels sind wir eingebucht, es gibt aber in Gunzenhausen keinen Empfang der am Wochenende besetzt ist. Damit wir trotzdem in unser Zimmer können, nennt man uns den Türcode und im Treppenhaus, in einem Körbchen, können wir dann unseren Zimmerschlüssel finden.
So der Plan, was wir vorfinden, weicht dann doch etwas davon ab.
Im Innenhof sitzen einige Gäste, auch welche, die wie wir einen Schlüssel vorfinden sollten, wie wir später erfahren. Die Eingangstür steht offen, das Körbchen ist vorhanden, doch nur zwei Schlüssel für andere Personen liegen parat.
Personal ist vorerst keines zu finden, außer einem Mann in der Küche. Ein Mitarbeiter aus Spanien, der – wie sollte es anders sein – kein Deutsch versteht. Mit einer Übersetzungs-App auf dem Handy versucht er uns etwas zu erklären. Das Einzige, was wir davon verstehen ist, wir müssen noch etwa eine Stunde warten bis jemand kommt, der uns vielleicht helfen kann.
Das sind für uns immer die Situationen, in denen wir zappelig werden. Wenn wir doch unserem Wahlspruch mehr vertrauen würden. Denn, alles fügt sich.
Es dauert nicht ganz so lange wie angekündigt, bis eine junge Frau kommt, die sich mächtig ins Zeug legt. Eigentlich gehört es nicht zu ihren Aufgabenbereich, denn auch sie ist nur eine Mitarbeiterin der Küche und obwohl andere Arbeit auf sie wartet, löst sie unser Problem.
Wir sind wirklich eingebucht, weil das aber am Samstag geschehen ist, wurde das Bereitlegen des Schlüssels versäumt, da das entsprechende Personal schon im Wochenende war.
Also, alles ist gut! Nach dem Duschen und Abendessen bleibt auch noch genügend Zeit um einen Stadtbummel zu machen.

Und noch ein Eis zum Tagesausklang:

Eis

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